Aus einer komfortablen Job-Position wechselte der Unternehmer ins Gründertum – und will nun mit einer Software den Produktionsstandort Deutschland stärken.
„Fühle mich nicht im Sinkflug“Warum Reinhard Vanhöfen mit über 50 Jahren ein KI-Start-up gründete

Reinhard Vanhöfen ist Geschäftsführer des Leverkusener KI-Start-ups OMMM.
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„Ich war bisher weder ein Software-Experte und eigentlich auch überhaupt kein Start-up-Typ“, sagt Reinhard Vanhöfen. Sein Weg hat ihn trotzdem genau dorthin geführt: Zum einen ist er Gründer und noch dazu der eines KI-Softwareanbieters. Seine Firma hat sich auf die Digitalisierung und Automatisierung in der industriellen Planung, unter anderem in der Lebensmittelbranche, spezialisiert. OMMM ist ein Akronym für „Operations Management Made Manageable“, ausgesprochen „Ommm“, wie das Summen bei der Meditation: „Produktionsplanung ist oft hektisch, bisweilen chaotisch – Ad-hoc-Management, Personalengpässe, Maschinenausfall. Wir wollen da Ruhe reinbringen“, sagt er.
Vanhöfen ist 55 Jahre alt – kein typisches Alter, um zu gründen. Laut Monitor des Deutschen Start-up-Verbands liegt das Durchschnittsalter bei 37,7 Jahren. Trotz seiner komfortablen, 25-jährigen Position in der Unternehmensberatung hat er umgesattelt. „Karrieremäßig befinden sich viele Freunde und Kollegen schon im Sinkflug, die bereiten sich auf die Rente vor“, sagt Vanhöfen. Er hingegen habe eine innere Unruhe gespürt. „Ich fühle mich nicht im Sinkflug. Im Gegenteil, ich fühle mich irgendwie disruptiv.“
Aus innerer Unruhe wird Gründung eines Start-ups
Er wollte etwas ändern, zum einen beruflich: „Ich war frustriert. 80 Prozent meiner Arbeitsenergie sind verpufft, die bestand in großen Teilen nur noch aus Überzeugungsarbeit.“ Er aber sei ein Macher.
Auch wirtschaftlich und gesellschaftlich wollte er sich nicht mehr mit dem Ist-Zustand zufriedengeben. „Die Rahmenbedingungen in Deutschland nehmen mich extrem mit. Firmen gehen ins Ausland, man kann nicht mehr vernünftig produzieren – und die Menschen sind demotiviert oder haben gar Angst vor der Zukunft.“ Die Gründe, laut Vanhöfen, offensichtlich: „Hohe Energie- und Rohstoffkosten, Verschwendung von Ressourcen, Fachkräftemangel überall“, listet er auf.
Nur meckern sei allerdings keine Option gewesen. Außerdem habe er Verbesserungspotenzial gesehen. 2019 war dann die Geburtsstunde von OMMM. Vanhöfen leitet das Unternehmen seit der ersten Finanzierungsrunde 2024 als Geschäftsführer gemeinsam mit der Technik-Chefin Gabriele Reith-Ahlemeier und Norbert Weichele, dem ehemaligen Zentis-Geschäftsführer.

Führen OMMM seit der Neuaufstellung 2024: Reinhard Vanhöfen (links), Gabriele Reith-Ahlemeier (Mitte) und Norbert Weichele (rechts)
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Dort, beim Aachener Marmeladenhersteller, sei auch die Idee für ihr Geschäftsmodell entstanden. Die Planung der Produktionslinien erfolgt in mittelständischen Betrieben wie Zentis oder etwa dem norddeutschen Marzipanhersteller Schluckwerder häufig noch manuell. In Schichtarbeit steuern viele Mitarbeitende Maschinen, Aufträge und Reihenfolge der mehrstufigen Fabrikation – und sie beachten Restriktionen: zum Beispiel Mindesthaltbarkeitsfristen oder Extra-Standards, die etwa für die Herstellung koscherer, anti-allergener oder veganer Produkte gelten.
Bisher hätten das Menschen mit viel Erfahrung gemanaged. „Doch was die im Kopf haben, weiß ja keiner“, sagt Vanhöfen. Oftmals würden Entscheidungen auch nach dem Prinzip „Haben wir schon immer so gemacht“ ablaufen. „Mit einer Software können wir diese Vorgänge optimieren, Verschwendungen reduzieren und Kosten einsparen.“
Wir müssen es schaffen, erfolgreich zu produzieren. Erfolgreich heißt, wir müssen Geld verdienen, um damit neue Arbeitsplätze zu schaffen
Eines sei ihm dabei wichtig: Die KI klaue keine Arbeitsplätze, ihn störe die Gegenüberstellung Mensch versus Digitalisierung. Laut Vanhöfen werde die Arbeitskraft an anderer Stelle mehr gebraucht. Stattdessen gehe es darum, Wettbewerbsvorteile durch attraktive und effiziente Standorte zu sichern. „Wir müssen es schaffen, erfolgreich zu produzieren. Erfolgreich heißt, wir müssen Geld verdienen, um damit neue Arbeitsplätze zu schaffen.“
Im Falle von Zentis bedeutete die speziell zugeschnittene OMMM-Software für einen Teilbereich der Produktion etwa Einsparungen von einer Million Euro. An der Entwicklung arbeitete unter anderem der Kölner Logistikwissenschaftler Horst Tempelmeier mit. „Das war der erste Wow-Moment. Wenn wir das Ur-Produkt jetzt standardisieren, wäre es ein Riesenhebel für die gesamte Lebensmittelindustrie.“
2025 plant OMMM einen Umsatz im siebenstelligen Bereich
Inzwischen, ein paar Jahre später, in denen die Gründer das Vorhaben Vanhöfen zufolge mit einem siebenstelligen Betrag selbst finanzierten, ist OMMM so weit, dass sie ihre Software an weitere Kunden verkaufen können.
Ihr Geld verdienen sie durch die Dienstleistung der Implementierung und die monatliche Nutzungsgebühr. „Wir haben fünf Projekte am Laufen und konnten auch zwei Kunden außerhalb der Lebensmittelindustrie gewinnen.“ Dieses Jahr strebe das Unternehmen einen siebenstelligen Umsatz an, perspektivisch deutlich mehr. „Die Firma ist profitabel“, sagt Vanhöfen. Man wolle weiter expandieren und dafür das derzeit zehnköpfige Team erweitern: „Wir wollen uns in den nächsten zwölf Monaten verdoppeln.“
Eine Seed-Runde von 3,6 Millionen Euro, die OMMM im September abgeschlossen hat, soll das Vorhaben ermöglichen. Investoren sind unter anderem der Kölner Risikokapitalgeber Neoteq Ventures und die NRW-Bank.
